Verbrauchertage: Die Öffentlichkeit auf ihr Recht aufmerksam machen
Sich mit dem eigenen Tod und seinen Folgen auseinanderzusetzen, kostet die meisten Menschen große Überwindung. So scheuen viele auch Überlegungen zum eigenen Nachlass. Dabei ist allgemein bekannt, dass Erbstreitigkeiten in vielen Familien zu unkittbaren Brüchen führen. Dass beim Thema „Erben und Vererben“ großer Beratungsbedarf besteht, zeigte auch der Erbrechtstag der Schleswig-Holsteinischen Rechtsanwaltskammer. Vor etwa 110 Interessenten referierten Rechtsanwälte und Steuerberater am 6.11.2019 im Tuch & Technik Textilmuseum in Neumünster und beantworteten die zahlreichen Fragen der Teilnehmer. So unterschiedlich die Anliegen der Ratsuchenden auch waren, am Ende des Abends kristallisierte sich vor allem eines heraus: Es ist wichtig, sich rechtzeitig über sein Erbe Gedanken zu machen. Führt die gesetzliche Erbfolge nicht zu den gewünschten Ergebnissen, ist es ratsam, ein Testament oder einen Erbvertrag aufzusetzen.
Die Grundzüge des Erbrechts
Zu Beginn des Abends erklärte Rechtsanwalt und Notar Klaus Begas die Grundzüge des Erbrechts. „In Deutschland ist die Erbfolge nach sogenannten Ordnungen geregelt“, so der Rechtsanwalt aus Neumünster. „Verwandte erster Ordnung sind die Kinder. Verwandte zweiter Ordnung sind die Eltern oder deren Kinder, also die Geschwister und auch Halbgeschwister des Erblassers. Sind Kinder bereits verstorben, erben die Enkelkinder.“ Auch nichteheliche und adoptierte Kinder seien Erben erster Ordnung. Da ein Ehegatte nicht in die Ordnungen gehöre, erbe der länger lebende Ehepartner lediglich ein Viertel. Lebte das Ehepaar in gesetzlicher Zugewinngemeinschaft, erhöhe sich der Erbteil um einen pauschalen Zugewinn von einem weiteren Viertel, so dass in den meisten Fällen der Ehepartner die Hälfte erbe.
Typische Fallstricke im Erbrecht
Der Fachanwalt für Erbrecht wies auf einen typischen, oft dramatischen Irrtum hin, dem er in der Beratung mit Mandanten immer wieder begegne: „Bei kinderlosen Ehepaaren erbt der Ehegatte nicht allein, sondern gemeinsam mit Eltern, Geschwistern, Nichten oder Neffen.“ Vor allem Paaren, die keine Kinder haben, empfahl der Rechtanwalt daher, ein Testament zu errichten. Ein notarielles Testament biete gegenüber dem handschriftlichen deutliche Vorteile, führte Begas aus. Wer sein Testament beurkunden ließe, genieße nicht nur die vorherige rechtliche Beratung. Der Notar stelle auch die uneingeschränkte Geschäftsfähigkeit des Erblassers fest. Wer als Erbe ein notarielles Testament in den Händen halte, brauche keinen Erbschein, so der Rechtsanwalt. „Handschriftliche Testamente werden zudem oft nicht gefunden oder unter Umständen vom Finder vernichtet, wenn dieser von den testamentarischen Verfügungen nicht profitiert“, sagte Begas. „Deshalb sollte man sein eigenhändig verfasstes Testament beim Nachlassgericht hinterlegen.“ Auch gemeinschaftliche Testamente seien aufgrund ihrer Bindungswirkung oft problematisch. Der überlebende Ehepartner könne das Testament nach dem Tod des Partners nicht mehr ändern, wenn das im Testament nicht ausdrücklich erlaubt worden sei.
Testierfreiheit und ihre Grenzen
Rechtsanwalt und Notar Andreas Kuhn widmete sich in seinem Vortrag dem Enterben und dem Pflichtteil. Jeder Bürger könne mithilfe eines Testaments oder Erbvertrags sein Vermögen jeder beliebigen Person vererben. Allerdings verhindere in Deutschland das Pflichtteilsrecht, dass bestimmte Personen vollständig enterbt werden können. Der Rechtsanwalt aus Neumünster stellte klar: „Pflichtteilsberechtigt sind Kinder, Eltern, Enkel, Urenkel oder Ehegatten.“ Geschwister und geschiedene Partner hätten keinen Anspruch auf den Pflichtteil. „Der Pflichtteil ist ein Geldanspruch, der dem halben gesetzlichen Erbteil entspricht“, so der Fachanwalt für Erbrecht. Da der Pflichtteil mit dem Erbfall fällig werde, könne der Erbe in eine finanzielle Notlage geraten, da er das Geld auszahlen müsse.
Pflichtteilsstrafklausel und Pflichtteilsverzicht
Eine totale Enterbung eines Pflichtteilsberechtigten sei unrealistisch und kaum denkbar. Nur in Fällen, in denen der Erbe dem Erblasser oder dessen Angehörigen nach dem Leben trachte, sich diesen gegenüber eines schweren Verbrechens schuldig mache oder wegen einer Vorsatztat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt werde, sei die Entziehung des Pflichtteils möglich. Auch mit einer Schenkung könne man den Pflichtteil schwer umgehen, denn es entstehe ein Pflichtteilsergänzungsanspruch. Trete der Erbfall im ersten Jahr nach der Schenkung ein, werde die Schenkung dem Nachlass noch voll zugerechnet. „Erst nach Ablauf von zehn Jahren bleibt der verschenkte Vermögenswert unberücksichtigt und wird nicht mehr hinzugerechnet“, sagte Kuhn. Auch die Pflichtteilsstrafklausel im Ehegattentestament hielt der Rechtsanwalt für weniger geeignet, da das Pflichtteilsrecht weiterhin geltend gemacht werden könne. Kuhn riet Erblassern, die Kinder in die Nachlassplanung einzubinden: „Holen Sie zu Lebzeiten ihre Kinder mit ins Boot und legen Sie im Testament oder Erbvertrag einen Pflichtteilsverzicht fest. So kann der länger lebende Ehegatte zu 100 Prozent abgesichert werden.“
Mit Mediation Streit beilegen
Im Erbrecht müsse nicht unbedingt bis zum Urteil gestritten werden, sagte Kuhn. Als Schlichtungsgespräch unter Moderation eines Güterichters oder Mediators biete Mediation eine gute Methode, zu einer Einigung zu kommen. Außergerichtlich sei die „Auszeit vom Gerichtsprozess“ von den Parteien zu zahlen, gerichtlich entstünden keine Zusatzkosten. Die Schlichtungsmethode spare Zeit und stelle eine aktive Gestaltungsmöglichkeit für die Betroffenen dar. Mit einer Mediation nähmen die persönlichen Beziehungen deutlich weniger Schaden.
Steuerliche Belastung reduzieren
Steuerberater Peter Zimmert berichtete, dass er in der Praxis immer wieder erlebe, dass bei erbschaftssteuerlichen Gestaltungen übersehen werde, dass auch vermögensrechtliche Verhältnisse geändert würden. Das gelte beispielsweise bei der Übertragung eines Hauses unter Totalnießbrauch. Der Steuerberater empfahl: „Betrachten Sie immer erst die zivilrechtliche Gestaltung und erst dann den steuerlichen Aspekt.“ Der Steuerberater zeigte zudem Möglichkeiten auf, die Steuern zu optimieren: „Werden Verfügungen, die beispielsweise den Enkeln zugutekommen sollen, diesen direkt durch Schenkung oder Vermächtnis übergeben, müssen zumindest die Kinder keine Erbschaftssteuer zahlen.“ Egal ob es um steuerliche Ersparnisse, das Testament oder die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ging, lautet die Quintessenz des Abends: Eine gute Beratung ist unerlässlich.